Evangelische Friedensethik wird überprüft

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine streitet die evangelische Kirche um ihre friedensethischen Positionen. Eine "Friedenswerkstatt" soll nun an einer neuen Positionierung arbeiten. Ihr Anspruch: alle Positionen in einer Feder vereinen.

Magdeburg (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre friedensethischen Positionen überdenken. Wie der EKD-Friedensbeauftragte Friedrich Kramer am Montag bei der EKD-Synode in Magdeburg sagte, soll eine sogenannte Friedenswerkstatt 2023 ihre Arbeit aufnehmen. Sie soll die Denkschrift aus dem Jahr 2007, die bislang Grundlage für die friedensethische Haltung der evangelischen Kirche ist, überprüfen und gegebenenfalls ergänzen oder gänzlich neu fassen.

Ein neuer Grundlagentext aus der „Friedenswerkstatt“ könnte bis 2025 vorliegen. Viele Synodale ließen erkennen, dass sie das Konzept befürworten, sich davon jedoch eine Revision der Friedensdenkschrift an einigen Stellen erhoffen.

In der evangelischen Kirche gibt es seit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar eine heftige Debatte über ethische Fragen, etwa über deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine. Der EKD-Friedensbeauftragte Kramer hat von Beginn an Waffenlieferungen abgelehnt, andere wie etwa die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus, befürworten Waffenlieferungen zur Selbstverteidigung der Ukraine.

Kramers pazifistische Haltung stößt innerhalb der evangelischen Kirche angesichts des Kriegs in der Ukraine auf viel Kritik. Der Journalist Arnd Henze sagte als Reaktion auf den Bericht, er fürchte, dass die evangelische Kirche die Anschlussfähigkeit an die Realität verliere, „wenn wir in einem schmutzigen Krieg an der Sehnsucht nach einer sauberen Ethik festhalten“.

Bundeswehr-Generalmajor Ruprecht von Butler sagte, die evangelische Kirche dürfe sich, wenn sie in der Mitte der Gesellschaft stehen wolle, auch vor der Frage der Abschreckung nicht drücken. Butler stellte dabei die Frage in den Raum, ob die Ukraine heute in der Situation wäre, wenn sie ein Abschreckungspotenzial wie andere Staaten gehabt hätte.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) entgegnete Kramer, der von einem „aggressiven Okkupationskrieg“ gegen die Ukraine sprach, es gehe nicht nur um Okkupation. Es gehe um den Wunsch nach Vernichtung eines Volkes, von Kultur, Sprache und Identität, sagte sie. Das müsse die evangelische Kirche bei ihren ethischen Überlegungen berücksichtigen.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion und frühere Bundesminister Hermann Gröhe betonte, die pazifistische Position, wie Kramer sie stark mache, gehöre selbstverständlich „zu uns als Christinnen und Christen“. Gröhe sagte, innerhalb der Kirche hätten es andere Haltungen als diese jedoch seit 30 Jahr schwer gehabt. Er könne alle Friedensgebete mitbeten, müsse ihnen aber auch die Bitte hinzufügen, dass die Befreiung der Stadt Cherson bis zum Winter gelinge.

Im Anschluss an die Debatte über die Friedensethik brachte der Finanzexperte im EKD-Rat, der Unternehmer Andreas Barner, den Haushalt ein. Der Etat der EKD, der sich wesentlich aus Umlagen der 20 Landeskirchen speist, soll im nächsten Jahr rund 247 Millionen Euro umfassen, nach 246,1 Millionen im laufenden Jahr. Über den Haushalt müssen die 128 Delegierten am Mittwoch zum Abschluss der Tagung abstimmen.

Barner verwies in seine Einbringungsrede mehrfach auf die Risiken der Inflation. Die Haushälter in der evangelischen Kirche gehen davon aus, dass selbst bei einem nominalen Kirchensteuerplus die finanziellen Möglichkeiten wegen des Kaufkraftverlustes sinken.